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Kategorie: Nachrichten
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Wie in der vorherigen Runde schon war es mir nicht vergönnt, in der Nacht davor ausreichend und ruhig zu schlafen: das Abstiegsgespenst ist ein garstiger Gesell. Wie kann man nur träumen, alle halbe Stunde auf die Uhr zu schauen, ohne einschlafen zu können? Ich kann es.

Alsdenn: letzte Runde gegen Flensburg I, den Topfavoriten der Liga vor dem 1.Spieltag. Wird Zeit, dass ich meinen alten Kumpel aus Göttinger Zeiten Guido mal wieder sehe und ein wenig mit ihm schnacken kann... Bei uns fehlten Cliff und Frank, dazu auch Andreas. Alexey Skrypkin und Pit sprangen ein. Kleine Eselsbrücke, welcher Alexei Alexej und welcher Alexei Alexey ist: Der mit y hat auch ein y in dem Nachnamen, jetzt muss man nur noch wissen, dass Litau nicht Lytau, sondern Litau geschrieben wird.

Kurz nach halb zehn bin ich im Büro - also an der heutigen Wirkungsstätte meines Tuns - und staune nicht schlecht: der Turniersaal ist fast übervölkert mit Flensburgern, schon deren vier zugegen. Um 09:45 sind dann beide Mannschaften komplett, jedenfalls in der Hinsicht, dass alle da sind, die auch spielen. Bis auf einen bei uns, der immer pünktlich zwischen 09:59 und 10:03 erscheint, und zwei auf Flensburger Seite, die auch nicht mehr erscheinen würden. Wir haben tatsächlich auch mal Glück: unser Gegner kommt nicht in voller Besetzung, dazu mit zwei jungen Spielern, die nicht zum Stamm der Flensburger gehören. Mein Guido fehlt auch...

Und so führen wir mit 2:0 beim Anpfiff. Ich halte nichts von dem Käse, der das erst mit dem Ablaufen der Uhr nach einer Stunde 'zählt'. Aber gut: wir führen nach einer Stunde mit 2:0: die Gegner von Jochen und Pit haben sich geweigert, etwas Bewegendes am Brett zu unternehmen. Pure Verzweiflung, wenn man so will.

An den ersten vier Brettern wurde Schach gespielt, wie man das so kennt: mal zieht der eine, mal der andere. Ganz grob waren das jeweils Paarungen auf Augenhöhe. Sören spielte mit schwarz gegen Jan Urbansky, der mich in der letzten Saison ausgespielt hatte. Auch heute kam es zu eine ähnlichen Stellung, recht zäh, Geduld und sauberes Manövrieren waren gefragt. Matthias hatte es mit Dirk Moysich zu tun: Jubelarien, dass er endlich mal mit weiß ran durfte... Recht schnell wurde es hier angespannt: Mehr Raum gegen Läuferpaar. Bald wurde es der Kampf um die Frage, ob Matthias Springer besser war als der gegnerische Läufer: beide verteidigten ihren König hervorragend, beide äugten nach Möglichkeiten, dem gegnerischen Monarchen auf den Pelz zu rücken.

Sven spielte mit schwarz gegen Benjamin Isler, der in den letzten Jahren enorm zugelegt hat, was seine Spielstärke anbelangt. Das sah recht ausgeglichen aus - recht zweischneidig, aber ausgeglichen. Auch an Haukes Brett ging es zur Sache gegen Jörn Langheinrich. Hier gingen beide mehr oder weniger mit offenem Visier aufeinander los. Ich erinnere mich an eine Stellung, in der beide Damen auf ihrem Ausgangsfeld von einem gegnerischen Springer angegriffen waren. Ich hatte aber keine Zeit, mich näher in die Stellung einzudenken.

Mein Gegner war Hovhannes Harutyunyan, ein 12-jähriger Junge, sehr angenehm: nett, freundlich, höflich. Mir war aber klar, dass er am Brett nicht mehr so nett sein würde. DWZ 1450 o.ä., Spielstärke vermutlich Richtung 1600, besonderes Augenmerk schnell und richtig rechnen... Ich hatte bald den Eindruck, dass er die Theorie der Eröffnung nur unvollständig kannte. Dennoch machte er einfach aktive Züge, die zueinander passten. Ich hatte wohl etwas Vorteil, aber entscheidend war das nicht. Auch Alexey hatte es mit einem jungen Mann zu tun, in ähnlichen Alter wie mein Gegner. An dem Brett war Chaos. Alexander Fuchs hatte allerlei aufgeboten, um Alexeys König zu Leibe zu rücken. An einer Stelle gab es einen Lh6, einen Sg5, eine Df4 und einen Th3, die allesamt auf den schwarzen Herrscher zielten. Alexey eroberte die Qualität und verteidigte dann wieder eine Weile mal.

Ich bedaure mitteilen zu müssen, dass ich die Details nicht nennen kann, aber ich war an meinem Brett permanent am Zug: Sören, Sven und Hauke machten mit ihren Gegnern remis (oder umgekehrt, oder reklamierten wegen Zugwiederholung, oder wegen nackter Könige). 3,5 : 1,5.

Es war wirklich so: jedes Entfernen von meinem Brett kostete mich genau so viel Zeit wie die Pause dauerte. An Alexeys Brett wogte Spiel das hin und her, mir wurde fast schwindlig. Ich bin sicher, dass beide mehrfach auf Gewinn standen, aber am Ende hatte Alexey gewonnen. Ich habe noch zwei Schwerfiguren mit Mattangriff auf der zweiten Reihe stehen sehen, das war's. 4,5 : 1,5 (für die Chronisten: damit haben wir die Klasse gehalten)

Es kam bei mir zu einem Endspiel, in dem ich einen Bauern mehr hatte, dazu einen schlechteren Läufer. Das war bis hierhin ein hartes Stück Arbeit, aber ich war mir nicht sicher, ob es auch gewonnen war. Die Läufer wurden getauscht, und wir waren in einem Turmendspiel. Nach einigem hin und her hatte ich Bauern f-h, auf der anderen Seite stand da ein f- und ein h-Bauer. Ich kam etwas von der Stelle und war dabei, den König nach f4 zu manövrieren. Das wollte mein Gegner nicht zulassen und wickelte in ein Bauernendspiel ab, welches verloren war. Leider übersah ich eine absolut triviale Ressource und verdarb es zum remis. Das fand mein Gegner aber nicht und verlor - sehr unglücklich, muss ich einräumen. 5,5 : 1,5. Wer meint, dass ich mit 'immer am Zug' übertrieben habe, dem sei die Zahl 1:41 am Ende der Partie auf des Gegners Uhr ans Herz gelegt. Das war nicht die Rest-Bedenkzeit in Minuten um den 50sten Zug herum, und auch nicht Bedenkzeit in Minuten vor dem 40sten Zug, sondern die Gesamtbedenkzeit in Stunden. Am Anfang steht da 1:30, am Ende 1:41. Ehrlich, es war so. Mit auch nur etwas besserem Zeitmanagement wird der junge Bursche mindestens zwei Klassen besser werden, absolut sicher.

Matthias und Dirk Moysich mühten sich noch sehr lange, wobei aber keinem der Zuschauer langweilig wurde. Matthias eroberte (wohl etwas voreilig) mit seinem Riesenspringer eine Qualität, was aber umgehend vom Riesenläufer gerächt wurde. Dazu wanderte ein Bauer auf die Seite des Flensburgers, wohl entscheidend im Endspiel. Allerdings wehrte sich Matthias sehr gut und kam zu einer Stellung, in der er mit Minusbauer dem Gegner keine Chance ließ, den materiellen Vorteil zu verwerten - remis. 6:2

So, das war's mit der Saison 2017/18. Die Spannung zum Ende der Saison hin hätte man sich gern erspart, aber es hatte sich angedeutet. Die knappen Niederlagen in Burg und Glückstadt ließen die Alarmglocken immer lauter läuten. Es hat am Ende geklappt, aber es war durchaus brenzlig. Tatsächlich ist nun Husum sportlich abgestiegen. Am letzten Spieltag war Leck der Gegner, und in Bestbesetzung eine zu hohe Hürde. Alle Vereine des Bezirks West sind n der Klasse verblieben, alle Auf- (klar verdient Leck. Glückwunsch!) und Absteiger (Flensburg II und Husum) entstammen dem Bezirk Nord. Ich freue mich sehr auf die neue Saison in dieser sehr spannenden und ausgeglichenen Liga (zumindest was die Plätze vier bis neun anbelangt).